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 Kaffeeklatsch
ericstrip Offline

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Beiträge: 52

10.08.2008 00:30
Schöne Sachen und ihre Geschichte Zitat · Antworten
Hallo, ich gehe jetzt von mir selbst aus und unterstelle einmal, daß Freunde alter Fahrzeuge auch ein Faible für andere alte Dinge haben. Bei den ganzen Sachen, die man so über die Jahre anhäuft, sind dabei eigentlich immer einzelne Stücke, zu denen man eine besondere Beziehung hat, über die man sich immer wieder freut, wenn man sie ansieht, in die Hand nimmt oder benutzt. Daher hatte ich soeben den Gedanken, daß es vielleicht ganz schön wäre, diesen Dingen hier einen eigenen Thread zu widmen, in dem man diese schönen Sachen zeigen und die Geschichte erzählen kann, die diesen Gegenstand zu etwas besonderem macht.

Ich fange auch gleich einmal an, und zwar mit meinem Fotoapparat, einer Kodak Retina II vom Typ 142, hergestellt von 1937 bis 1939.

Ich muß etwa 13 Jahre alt gewesen sein, als eine Freundin meiner Oma, die in Bayern wohnte, zu Besuch war. Die beiden kannten sich noch aus dem 2. Weltkrieg, beide hatten in demselben Krankenhaus als Krankenschwestern gearbeitet und hatten seitdem Kontakt gehalten. Diese Freundin, Lotte hieß sie, war sehr nett und kam etwa alle zwei bis drei Jahre zu Besuch zu uns ins nördliche NRW. Diesmal hatte sie etwas für mich dabei: Einen Fotoapparat mit der passenden Ledertasche. Mit den Worten "Du hast da doch bestimmt Spaß dran, unsere alten Köppe braucht keiner mehr zu fotografieren" überreichte sie mir das sehr hübsche Gerät, welches mir sofort gut gefiel. Man konnte, nachdem man einen Entriegelungsknopf gedrückt hatte, eine Klappe öffnen, hinter der dann die Optik ausfuhr. Dadurch war die Kamera beim Transport angenehm flach. Außerdem war alles sehr schön gearbeitet und ich liebte damals schon alles, was alt war. Ich strahlte und fragte, wie alt die Kamera denn sei. "Weiß ich nicht mehr so genau, etwa 50 Jahre... sie macht aber sehr gute Bilder" sagte sie. 50 Jahre! Das konnte ich kaum glauben, zumal nur ein ganz normaler moderner Kleinbildfilm benötigt wurde. Die alte Instamatic-Kamera meiner Mutter, die ich zu dem Zeitpunkt hatte, brauchte hingegen einen komischen Kassettenfilm, den es längst nicht mehr überall gab und der auch teurer war als Kleinbildfilme. Außerdem machte sie ziemlich mäßige Bilder.

Hier konnte man hingegen alles einstellen - und die Bilder waren wirklich besser, als alle, die ich bislang aufgenommen hatte. OK, etwas heranzoomen kann man mit der Retina nicht, aber solch einen Luxus konnte ich mir ohnehin kaum vorstellen. Niemand, den ich kannte, hatte eine Kamera, mit der man etwas heranzoomen konnte. Die Retina kam mir gegenüber dem Instamatic-Plastikkästchen somit sogar richtig modern vor, nur die sehr detailverliebte Verarbeitung und die nostalgische Form ließen erahnen, daß diese Kamera vielleicht doch schon etwas älter war.

Ich benutzte die Kamera fortan als meinen Fotoapparat und war sehr zufrieden mit ihr. Vor allem habe ich alte Autos damit fotografiert.

Irgendwann hatte ich eine Spiegelreflexkamera, andere Fotoapparate gesellten sich dazu, die Retina blieb aber immer mein Lieblingsgerät.

Ende der 90er brach dann für mich das Zeitalter des Internets an und ich kam dadurch nun an Informationen über meine Kamera. Ich erfuhr, daß meine Retina tatsächlich ein Vorkriegsmodell war, neu ungefähr einen Monatslohn gekostet hatte (woher hatte Lotte als knapp Zwanzigjährige so viel Geld? Oder war die Retina von ihrem Vater? Ich werde es nicht mehr herausfinden, sie starb vor 15 Jahren) - und daß sie die erste Kamera war, in der die noch heute übliche Kleinbildpatrone verwendet wurde, davor nutzte jeder Kamerahersteller eigene Patronentypen, die gerne von den Hobbyfotografen selbst in der Dunkelkammer befüllt wurden. Auch las ich, die - in Deutschland entwickelte - Retina sei die einzige ordentliche Kamera gewesen, die Kodak, sonst eher für billige Massenware wie den primitiven Boxkameras oder der erwähnten Instamatic bekannt, je gebaut habe. Außerdem erfuhr ich mit deutlicher Verspätung, was es mit dem Sucherfenster ganz links auf sich hatte: Die Retina II besaß (anders als das einfachere Parallelmodell Retina I) tatsächlich schon einem Mischbild-Entfernungs-Meßsucher. Ich hatte bis dahin bei ihr immer die Entfernung Pi mal Daumen geschätzt und am Objektiv entsprechend die Meter eingestellt, da ich nicht auf die Idee gekommen war, daß sich der (mir inzwischen von anderen Kameras bekannte) Entfernungsmesser in einem eigenen Sucherfensterchen verbergen würde...

Vor zwei Jahren kaufte ich mir eine Digitalkamera und fotografiere seitdem wie ein Wilder, die macht ja auch alles von selbst und die Bilder kosten erst einmal nichts. Alles kann man heute mühelos fotografieren, die Bilder sofort begutachten und schnell an Freunde senden. Das ist toll und ich nutze diesen Fortschritt gern. Ich mag auch auf langen Strecken mit der Familie gerne den Komfort unseres Audi A2, mit müheloser Bedienung fährt auch dieser nahezu von selbst, eine Klimaautomatik sorgt für Wohlbefinden, leise und schnell ist er auch und verbraucht dabei fast nichts.

Aber aus denselben Gründen, aus denen ich immer wieder gerne mit Genuß in den Trabant steige, nehme ich auch ab und an wieder die Retina zur Hand. Es macht einfach Freude, sich damit auseinanderzusetzen und selbst etwas damit zu tun. Und man denkt unweigerlich darüber nach, was diese inzwischen 70jährige, mild patinierte Kamera wohl schon alles gesehen haben mag...

So viel für heute abend, vielleicht habt Ihr ja auch was für diesen Thread.
Nils
Angefügte Bilder:
DSCF9542.jpg   DSCF9545.jpg   DSCF9546.jpg  
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